Rede zum Freiwilligen-Teilzeitgesetz
Was motiviert junge Menschen, sich für eine bessere Gesellschaft und unser Land zu engagieren? Aus meiner Sicht liegt die Antwort klar auf der Hand. Es sind konkrete Angebote für Selbstverwirklichung und Selbstwirksamkeit. Wir müssen den jungen Menschen zeigen, dass ihr Engagement zählt, dass sie etwas bewirken und verändern können. Es ist uns gelungen, die Rahmenbedingungen für Freiwilligendienste, einschließlich erhöhter Taschengelder und Mobilitätspauschalen, deutlich zu verbessern. Aber: Wir brauchen eine auskömmliche materielle Absicherung für Freiwillige und müssen die Finanzierung der Freiwilligendiensten langfristig sichern.
Meine Rede vom 26. April 2024 im Wortlaut:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger!
Was motiviert junge Menschen, sich für eine bessere Gesellschaft und für unser Land zu engagieren? Für mich ist die Antwort klar: Es sind konkrete Angebote für Selbstverwirklichung und Selbstwirksamkeit. Wir müssen jungen Menschen zeigen, dass ihr Engagement zählt und sie etwas bewirken und verändern können. Fehlen diese Angebote, entsteht Frust und Politikverdrossenheit, gerade in Krisenzeiten wie diesen. Das hat ganz gravierende Folgen für demokratische Gesellschaften. Das zeigen die Ergebnisse der Jugendstudie 2024, die in diesen Wochen breit diskutiert werden.
Freiwilligendienste sind aber genau ein solches Angebot und deshalb so wertvoll für uns. Ohne Zwang und Verpflichtung schaffen sie es, dass sich rund 90 000 meist junge Menschen in Kitas, Schulen, Pflegeeinrich- tungen, Sportvereinen oder im Ausland für die Gesellschaft engagieren. Darum bin ich davon überzeugt: Wir brauchen ein Recht auf Engagement und keine Verpflichtung.
Junge Menschen wollen sich engagieren und einbringen. Wir müssen es ihnen nur ermöglichen. Deshalb ist es ein großartiges Zeichen, dass wir heute, drei Tage vor dem 60. Geburtstag des Freiwilligen Sozialen Jahres, ein Gesetz verabschieden, mit welchem wir die Rahmenbedingungen für die Freiwilligen stark verbessern.
Mit dem vorliegenden Gesetz werden wir die Taschengeldobergrenze erhöhen. Das bedeutet ganz konkret bis zu 604 Euro Taschengeld monatlich für Freiwillige. Das ist eine Steigerung um 30 Prozent und so dringend not- wendig.
Neben dem Taschengeld haben Freiwillige zukünftig auch die Möglichkeit, eine Mobilitätspauschale zu erhalten. Im Regierungsentwurf war hier noch eine Deckelung vorgesehen, die wir nun gestrichen haben. Ich danke den Partnern für diese Lösung. Das ist gerade für Freiwillige im ländlichen Raum – aus dem ich komme – mit oft höheren Mobilitätskosten eine ganz wichtige Verbesserung. Und wir schaffen mit dem Gesetz eine echte Teil- zeitoption für Freiwilligendienste. Das ist eine langjährige Forderung der Freiwilligen.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Noch viel zu oft haben Freiwillige einen Nebenjob, weil sie nicht aus reichem Elternhaus kommen und das Taschengeld nicht für ihren Lebensunterhalt reicht. Deshalb müssen wir die materiellen Rahmenbedingungen für Freiwillige noch weiter verbessern. Die SPD-Bundestagsfraktion hätte sich im Gesetz auch eine Taschengelduntergrenze und eine Obergrenze auf BAföG-Niveau gut vorstellen können. Dafür gab es bei den Koalitionspartnern leider kein grünes Licht. Unser Einsatz, jungen Menschen unabhängig vom Geldbeutel der Eltern ein gesellschaftliches Engagement zu ermöglichen, wird deshalb weitergehen.
Lassen Sie mich abschließend etwas zur Finanzierung sagen: Im letzten Jahr haben Tausende Freiwilligendienstleistende eine deutliche Verbesserung der Bedingungen durch die Politik gefordert. Mit dem Slogan „Freiwilligendienst stärken“ haben sie es geschafft, über 100 000 Unterschriften für eine Petition an den Deutschen Bundestag zu sammeln. Ich bin mir sicher: Ohne diesen Einsatz würde die finanzielle Lage der Dienste heute schlechter sein; denn das war ein starkes Zeichen der Zivilgesellschaft und ein wichtiger Rückenwind für die Verhandlungen, um die Kürzungspläne für das Jahr 2024 wieder zurückzunehmen.
Trotz dieses Verhandlungserfolges gibt es aktuell große Unsicherheiten bei der Ausfinanzierung des nächsten Jahrganges. Das liegt auch daran, dass jedes Freiwilligendienstjahr sich über zwei Haushaltsjahre erstreckt und die Bundesregierung den Zentralstellen der Freiwilligendienste für 2025 wieder Kürzungen angekündigt hat.
Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege von Malottki, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeord- neten Bochmann?
Nein. Entschuldigung, bei Antidemokraten gestatte ich das nicht.
Für die Strukturen der Freiwilligendienste ist das ein Problem; denn sie können die Kürzungspläne nicht ignorieren, weil sie ansonsten Gefahr laufen, ab 2025 die Kosten nicht decken zu können. Ich halte den Weg, der uns immer wieder in diese Situation bringt, für grund- legend falsch; denn der Wille des Parlaments ist klar: Eine große Mehrheit hier wünscht sich eine Absicherung der Freiwilligendienste mindestens auf dem aktuellen Niveau.
Ich erwarte deshalb, dass die Bundesregierung jetzt eine Lösung findet, die sicherstellt, dass die Arbeit in den Freiwilligendiensten auf gleichbleibendem Niveau weitergehen kann.
Gute Rahmenbedingungen für Freiwillige, eine auskömmliche materielle Absicherung und ausfinanzierte Freiwilligendienste wären ein starkes Signal an eine Generation, die aktuell Orientierung und Wertschätzung so dringend benötigt. Danke schön.